Deutsche Nachkriegswochenschau - ein Blog von Sigrun Lehnert

Kontinuität, Konzeption

Von der Jahrmarktattraktion zur Kino-Wochenschau bis ins Fernsehen

Sketch in NDW 520

Clever und Schussel-Sketch in NDW 520 vom 12.1.1960

Sketche in der Wochenschau – eine Kontinuität 

Auf Jahrmärkten wurden seit jeher Waren gehandelt und Neuigkeiten getauscht – das schließt die Verbreitung von Karikaturen ein. Der elektronische ‚Jahrmarkt‘ heißt seit den 1950er Jahren ‚Fernsehen‘. Wer erinnert sich nicht an den Zeichner „Oskar“, der in der Fernsehshow Dalli-Dalli seine schnelle Auffassungsgabe mit dem Zeichenstift bewies – genauso wie Mirko Szewczuk, der zuerst für die Kinowochenschau zeichnete, bevor er zum neuen Medium Fernsehen wechselte.

Die Wochenschau blickt auf eine Tradition zurück, die Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Filmzeitalter beginnt – kurze Filme wurden in der Folge zu einem Programm zusammengeklebt, um es auf Jahrmärkten und in Varietés zu zeigen. Bevor sich das Fernsehen als Massenmedium in Deutschland etablieren konnte (in Westdeutschland Ende der 1950er Jahre), war die Wochenschauen im Kino-Vorprogramm das einzige Medium, das mit laufenden Bildern Neuigkeiten aus dem In- und Ausland vermittelte. Neben der gebotenen Information über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fortschritte wurden die unterhaltenden Stories unter den 10-15 Berichten einer Ausgabe genutzt, um den Zuschauern gesellschaftliche Normen und Werte nahe zu bringen.

Die Struktur der kurzen Berichte blieb durchgehend erhalten – Darbietungen wie kurze Sketche konnten eingebunden sein. In der Wochenschau der 1950er Jahre wurden solche Spielszenen allerdings mit pädagogischem Anspruch eingesetzt. Die so genannten „Unfallstories“ sollten über Gefahren im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz und im Haushalt aufklären. Zwei Kabarettisten spielten als „Clever & Schussel“ (vgl. Abb. NDW Nr. 520 vom 12. Januar 1960) verschiedene Situationen, wobei der eine (Clever) mit Schläue und Wachsamkeit agiert, während der unvorsichtige Schussel stets mit einem ‚blauen Auge‘ davonkommt. Diese Art des ‚Erhobenen Zeigefingers‘ findet man mit „Tran & Helle“ bereits in der NS-Wochenschau – und wird mit „Kurtchen & Patzig“ im Fernsehmagazin Kaleidoskop bis in das frühe Nachkriegs-Fernsehen fortgesetzt. Ein weiteres Beispiel sind Kabarett-Einlagen: Sie wurden auf der Bühne seit 1881 live performt, gelangten gefilmt in die Wochenschau (wie in die ehemals französische Besatzungswochenschau Blick in die Welt) und haben noch heute im Fernsehprogramm einen festen Platz.

Wenn es darum geht, der Gesellschaft und der Politik den Spiegel vorzuhalten und zur Reflexion anzuregen, latent über Missstände zu informieren, wurden und werden kurze Nummernprogramme eingesetzt – dafür eignete sich bisher noch jedes audiovisuelle Medium.

Die Bearbeitung des Materials folgt den Vorschlägen zu Methoden und Ansätzen u.a. der Neoformalistischen Filmanalyse und Genrestudies (vgl. entsprechende Rubrik dieser Website).

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