Deutsche Nachkriegswochenschau - ein Blog von Sigrun Lehnert

Projekte

Ausstellungsprojekt

Ein Einblick in eine Ausstellung „Kino-Wochenschau und ‚Wirtschaftswunder‘. Zwischen Filmkunst und Routine“

Ziel und Botschaft der Ausstellung
Die Ausstellung möchte den Bekanntheitsgrad der Kino-Wochenschau erhöhen und Wissen über dieses einzigartige historische Medium und seine Entstehungsumstände vermitteln. Im Fokus steht die Präsentation der Wochenschau als Quelle für Public History und die Betonung ihrer Bedeutung für die Alltagskultur in den 1950er- und 1960er-Jahren. Die Wirtschaftswunderzeit dient als Schlüssel-Epoche, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche und politische Entwicklungen widerspiegelt und eine immer schnellere Reaktion in der Informationsvermittlung erforderte.

Bedeutung, Motiv und Mehrwert
Die Relevanz der Ausstellung liegt darin, zu erkennen, wie Nachrichten damals – wie auch heute – entstanden sind und dass gesellschaftspolitische und kulturelle Themen des Alltags miteinander vernetzt sind. Ziel ist es, zu verdeutlichen, dass der Ursprung für die heutige audiovisuelle Ästhetik in der Wochenschau liegt. Die Ausstellung ermöglicht eine Wahrnehmung der Umstände der Produktion aktueller Beiträge (von ‚Nachrichten‘) und lässt erahnen, welche Wirkung die Wochenschau auf die Zuschauer damals gehabt haben mag.

Differenzierung und Einzigartigkeit
Die Ausstellung differenziert sich von anderen Film- oder Kinoausstellungen durch ihren Fokus auf einen Teil des Kino-Vorprogramms – die Wochenschau. Die Besonderheit liegt auch im Einbezug der Filmproduktion der Wochenschau mit speziellen Bedingungen. Besucher werden nicht nur passiv konsumieren, sondern zur Mitwirkung an der Gestaltung der Ausstellung angeregt.

Das Alleinstellungsmerkmal dieser Ausstellung liegt nicht nur im Format der „Nachrichten im Kino“, sondern auch in den unvergesslichen Erlebnissen, die durch Filme, Audio-Beispiele und faszinierende Sachexponate wie Kameras und Schneidetische geschaffen werden. Diese werden von ehemaligem Wochenschau-Personal erklärt, was einen einzigartigen Einblick in die Produktionsbedingungen ermöglicht. Symposien, Themenabende, Führungen und ein digitales Angebot (z.B. ein virtueller Rundgang) ergänzen die Ausstellung.

Zielgruppen
Die Ausstellung richtet sich an alle, die an Geschichte und klassischen Medien wie Film interessiert sind und auch an ältere Menschen als Zeitzeugen. Zusätzlich richtet sich die Ausstellung an Forschende, Lehrende und Studierende der Medien-, Kommunikations- und Filmwissenschaft sowie Geschichte verschiedener Fachrichtungen, darunter Gesellschafts- und Musikgeschichte, und von Public History-Studiengängen.

Diese Ausstellung schafft nicht nur historisches Bewusstsein, sondern bietet auch einzigartige Einblicke in eine vergangene Ära der Informationsvermittlung und Alltagskultur.

Ist die Ausstellung interessant für Ihre Institution?
Nehmen Sie gerne mit mir Kontakt auf. Ein ausgearbeitetes Konzept liegt als Abschlussleistung des Universitäts-Zertifikats „Kuratieren“ vor. 

Forschungsprojekt

Vermittlung des wirtschaftlichen Aufschwungs (1950-1965) in der Kino-Wochenschau (West – Ost)

Das Projekt ist mit der Habilitationsschrift – erschienen als Monografie – abgeschlossen: Deutsche Kino-Wochenschau und der wirtschaftliche Aufschwung in West und Ost. Audiovisuelle Gestaltung und Vermittlungsstrategie in Fallanalysen (1950-1965), Wiesbaden: Springer. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-41958-5

In den 1950er und 1960er Jahren bot die Wochenschau für viele Menschen, die keinen Zugang zum Fernsehen hatten, die einzigen bewegten Bilder aus aller Welt und vor allem aus dem anderen deutschen Staat. Während in der Bundesrepublik mehrere Wochenschauen existierten, wie die Neue Deutsche Wochenschau (NDW), die vom Presseamt initiiert wurde, gab es in der DDR nur eine Produktion: Der Augenzeuge, das Sprachrohr der zentralen Partei, der SED.

Neben den Informationen über politische und wirtschaftliche Fortschritte wurden in der Wochenschau unterhaltende Berichte genutzt, um Normen und Werte zu vermitteln. Die etwa zehn Berichte einer Ausgabe waren geradezu komponiert: Bilder, Kommentar und Musik ergaben durch den Schnitt und die Montage eine Story, die wiederum in ein Gesamtkonzept einer Ausgabe eingebunden war. Inhalte und Ästhetik der Wochenschau lenkten die Aufmerksamkeit der Zuschauer, ermöglichten politische Deutungen und gaben Orientierung in der Zeit des Wiederaufbaus und der Neukonstruktion der geteilten deutschen Gesellschaft. Die Kinowochenschau hat damit als historische Quelle eine besondere Bedeutung im Vergleich etwa zu schriftlichen Überlieferungen.

Basis der Untersuchung war die Analyse der Wochenschau-Filme als Primärquelle. Sie wird um eine historische Rezeptions- und Kommunikatorforschung in Bezug auf neu recherchierte Belege zu den Produktionsvorgängen (wie damals genutztes Recherchematerial, Aufnahmeberichte der Kameraleute und redaktionelle, interne Mitteilungen), um Sitzungsprotokolle der Entscheidergremien sowie zeitgenössische Kritiken ergänzt. Somit konnten die verschiedenen ökonomischen, technischen, politischen und kulturellen Einflüsse auf die Entwicklung der medialen Form und die Berichterstattung berücksichtigt werden.

Ausgaben der Neuen Deutschen Wochenschau (NDW) bzw. Die Zeitlupe (Umbenennung der NDW Ende Mai 1963) aus jeweils drei Monaten der Jahre 1950 bis 1965 sowie die Wochenschau-Jahresrückblicke wurden gesichtet und hinsichtlich der Themen und Darstellungsmuster ausgewertet. In vier Kategorien ergibt sich ein aussagekräftiger erster Überblick der Vermittlung des wirtschaftlichen Aufschwungs durch: (1) Darstellung von Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung, (2) Alltagsbilder, (3) Präsentation von Unternehmen und Produkten, (4) herausragende Gestaltung der Wochenschau-Filme.

In einem weiteren Schritt wurde ebenso mit der ostdeutschen Wochenschau Der Augenzeuge verfahren. Jahresrückblicke und Ausgaben von drei Monaten der Jahre 1950 bis 1965 wurden gesichtet und die ebenfalls 200 Ausgaben wurden mit Fokus auf die Vermittlung des Aufbaus in der Planwirtschaft ausgewertet. Daraus ergaben sich hinsichtlich der oben genannten Übersicht zusätzliche Kategorien: (4) Politische Machtpräsentation, (5) Vorbild /Anregungen durch sozialistische und kommunistische Länder, (6) Präsentation von Kollektiven.

Von den etwa 4500 Beiträgen (gesamt West und Ost) zeigen etwa ein Drittel wirtschaftliche Aspekte (wurden indexiert nach: Wirtschaftszweig, Konsum/Besitz/Angebot, Freizeit, Arbeit, Bildung, Produkte/Marken, wirtschaftspol. Abkommen). Zur Erfassung der Vermittlungsstrategien wird u.a. mit Frameanalysen, angelehnt an Robert Entman (1993), gearbeitet , indem analysiert wird, in wie fern und welche Frame-Elemente (Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, Lösungsempfehlungen und Handlungsaufforderung sowie explizite Bewertung) auf welche Art und Weise mit filmischen Mitteln (ästhetisch) umgesetzt wurden. Zudem sind unterschiedliche Erzählstrategien und die besondere dokumentarische Form der Wochenschau elementar: Durch die Struktur und Komposition einer Ausgabe, durch Zwischentitel und Übergänge sind weitere ‚Rahmungen‘ möglich, die eine Interpretation des wirtschaftlichen Aufschwungs generieren. Weitere Informationen zur Theorie und zum Modell der Vermittlungsstrategie sind auf dieser Website unter Ansätze und Methoden einsehbar. 

Nachdem die NDW und Der Augenzeuge als Projekt „Vermittlung des wirtschaftlichen Aufschwungs (1950-1965) in der deutschen Kino-Wochenschau (West-Ost)“ in Bezug gesetzt wurden, können die Vermittlungsstrategien mit weiteren audiovisuellen Mediengattungen verglichen werden: Doku-Formate, Fernsehsendungen mit Aktualitätsanspruch, wie Magazine und Nachrichtenfilm (zeitgenössische und heutige), sowie Online-Präsentationen zum Thema Wirtschaftsaufschwung (West-Ost), die Wochenschau-Ausschnitte oder -Bilder verwendet haben.