Deutsche Nachkriegswochenschau - ein Blog von Sigrun Lehnert

Konzeption, Modernisierung, Symbolik

Vom Kleinwagen bis zur Luxuskarosserie

Der neue Mercedes 180 wird getestet in NDW Nr. 189 vom 9.9.1953

Repräsentation der Autofahrer und des Autofahrens (1950-1965)

Das Auto, das klischeehafte „der Deutschen liebstes Kind“, wird in Wochenschauen vielfach verhandelt. Teilweise ähneln die Reportagen gefilmten ‚Verkaufsprospekten‘ (s. Abb. vom Mercedes 180 in NDW Nr. 189 vom 9. September 1953) und geben, unterstützt von prominenten Motorsportlern, detaillierte Auskünfte über die Neuerungen der Modelle. Berichte von Autosalons und Verbrauchermessen vermitteln den Zuschauern einen Eindruck von der Vielfalt des nationalen und internationalen Automobilangebots. Die westdeutschen Autofabrikanten scheinen dabei konkurrenzlos zu sein – besonders ostdeutsche und osteuropäische Produzenten treten kaum in Erscheinung.

Dagegen versuchte die ostdeutsche Wochenschau Der Augenzeuge einen hohen Lebensstandard zu vermitteln – trotz der bekannten Schwierigkeiten durch die DDR-Planwirtschaft in der Produktion und Verteilung von Investitionsgütern. Dabei stand nicht die Formschönheit im Vordergrund, sondern die Leistungsfähigkeit und Robustheit der Wagen und Motorräder aus der DDR und den sozialistischen sowie kommunistischen Ländern.

Auch Verkehrssicherheit und Unfallschutz wurden im oft unterhaltenden Kino-Vorprogrammfilm thematisiert. Die bekannte Fernsehsendung Der 7. Sinn hat offenbar einen Vorläufer: Durch Szenen mit Schauspielern, im Wechsel mit realen Unfallszenen, versuchen die Wochenschauen zur Vermeidung von Verkehrstoten beizutragen. Die belehrenden Kurzfilme, die in die Wochenschau eingefügt waren, wurden im Bundesauftrag hergestellt, denn das Autofahren war ebenso Staats- wie Privatangelegenheit.

Jeder Westdeutsche sollte sich bald zumindest einen Kleinwagen leisten können – in der Freizeit wurde das Auto eigenhändig gewaschen, gepflegt und repariert. Für den Urlaub war es unbestritten das wichtigste Vehicle: zum Camping-Domizil umgebaut, wurde Italien erobert. Das Auto begleitete Lebensabschnitte – dem Kleinwagen folgte die ‚Familienkutsche‘, deren Marke Prestige signalisierte. So wurde das Auto zum elementaren Bestandteil einer aufstrebenden Gesellschaft.

Und wie war der Autofahrer? War er Kenner und Genießer, verantwortungsvoller Fahrer oder leichtsinniger Schadensverursacher? Wie wurden Frauen am Steuer oder Autobesitzerinnen dargestellt? Wie wird das Automobil in Ost und West präsentiert: War es Statussymbol, Zweckobjekt oder bereits in den 1950er-Jahren eine Belastung für die Umwelt?

Das Thema wurde präsentiert auf der internationalen Konferenz „Representing Automobility in Literature and Film“, Goethe-Universität Frankfurt, 2. Juni 2023

Passt der Beitrag für eine Publikation?
Anregungen, Hinweise?
Leave a reply – make a comment!

Schreibe eine Antwort