Deutsche Nachkriegswochenschau - ein Blog von Sigrun Lehnert

Forschung, Kontinuität

Kino-Wochenschau als Medium der Transition

Zusammenarbeit mit dem Fernsehen bei der NDW im Oktober 1951

Kino-Wochenschau als Kinokultur und Medium des Übergangs

Die Kino-Wochenschau ist ein filmisches Format des Übergangs. Als ‚Urgestein‘ der Kinokultur hat sie sich seit Ende des 19. Jahrhunderts aus kurzen Aktualitäten entwickelt. Zwischen Werbung, Kulturfilm und Spielfilm nahm sie im Kinoprogramm ihren Platz ein und war für einen stimmungsvollen Übergang zum Hauptfilm verantwortlich. Bilder, Musik, Geräusch und Kommentar bilden eine Komposition – mit geschickten Überleitungen zwischen den 8-15 Berichten einer Ausgabe. Diese Qualität konnte nur kreatives Personal mit Schnitt und Überblendungen leisten (vgl. Balázs 1976, S. 132).

Die Berichte changieren zwischen Information und Unterhaltung; gespielte Szenen lassen an aktuelle Fakten angelehnte Fiktionalisierungen entstehen. Indem sie auf andere Medien referiert, zeichnet sich die Wochenschau durch Intermedialität aus (vgl. Rajewsky 2004, S. 12-14): u.a. flossen abgefilmte Fotos, Standbilder aus Filmen und sogar Trickaufnahmen sowie Animationen in die Stories ein. Mit Archivmaterial baute sie ‚Brücken‘ zwischen Gegenwart und Vergangenheit und zeigte zeitgeschichtliche Wendepunkte. Durch Austausch von Filmmaterial der weltweit existierenden Wochenschau-Produktionsunternehmen wurde(n) Geschichte(n) transnational erzählt und Ästhetiken verbreitet.

Auch ästhetisch befand sich die Wochenschau in einem ‚Dazwischen‘: im Kino verankert, aber bemüht um Abgrenzung zum Fernsehen, versuchte sie neue Vermittlungsformen zu finden. Dies gelang nicht – aus Gründen mangelnder dispositivbedingter Flexibilität (vgl. Hickethier 1996, S. 494). Im Fernsehen entstanden neue dokumentarische Formen. Diese waren durch personelle Kontinuitäten geprägt: Wochenschau-Personal ging ‚zum Fernsehen‘ oder arbeitete bei der Wochenschau für das Fernsehen (s. Abb. aus Unternehmenszeitschrift Das Neueste vom Oktober 1951) und transferierte bewährte Gestaltungsprinzipien in Innovationen. Das gilt auch für die Musik der Wochenschau: Der Hauskomponist verkaufte seine Werke im Übergang von der sinkenden Popularität der Wochenschau und Aufstieg des Fernsehens an öffentlich-rechtliche Sender und baute Netzwerke nach Übersee auf.

In der Wochenschau kumulieren sich Transitionen, die an soziale, kulturelle, ökonomische und technische Bedingungen geknüpft sind (vgl. New Film History, Allen & Gomery 1985). Sie wirkten sich auf die Film- und Fernsehästhetik aus und fanden Widerhall im Publikumserfolg.

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